BELGIEN 3

Montag, 29. April. Uta liegt krank im Bett, sie braucht heißen Tee. Der Tag vergeht über Kochen, Wäschewaschen, Malen, Essen und Spaziergänge mit Coco. Sie hat entdeckt, auf welchen Wegen sie den Park verlassen und Fasane aufscheuchen kann. Die Nachbarshündin Pipa kommt mehrmals vorbei, um Coco zum Spielen abzuholen.

 

Dienstag, 30. April. Uta geht es besser – wir brechen auf zum Museum des umstrittenen Comic-Zeichners Hergé in Ottignies-Louvain-la-Neuve, östlich von Brüssel. Im Museumscafé komme ich über ausliegende Bücher ein wenig hinter Hergés Abstraktions-Technik. Mittags erreichen wir die historische euroArt Künstlerkolonie Tervuren, heute ein Stadtteil von Brüssel. Leider ist das Museum, das die Geschichte und Bilder der Kolonie zeigt, bis übernächstes Jahr geschlossen. Entschädigt werden wir durch eine kleine aber brillante Ausstellung, ausgerichtet von den Freunden der Schule von Tervuren: der zeitgenössische belgische Maler und Zeichner Luc Cromheecke auf den Spuren des Malers Charles-Francois Daubigny (1817–1878), der lange Zeit auf seinem Atelier-Boot in Auvers-sur-Oise nördlich von Paris und rund um Barbizon gearbeitet hat (euroart.eu/en/news/luc-cromheecke-in-the-footsteps-of-daubigny/). In der Ausstellung begegnen wir den Bildern einiger Maler wieder, deren Werk wir im März dieses Jahres während unserer Reise in den Wald von Fontainebleau kennengelernt hatten. Auf dem Rückweg zu unserer Unterkunft in Merelbeke halten wir für die Dauer einiger Stunden in Brüssel, essen Pommes-Frites, kaufen belgische Schokolade und bewundern die plastische Kunst am imposanten Gebäude der Börse – hier hat Auguste Rodin als junger Steinmetz mitgearbeitet.

 

Mittwoch, 01. Mai. Uta geht es wieder schlechter; sie braucht viel Schlaf und heißen Tee. Der Tag ähnelt in Vielem dem Montag. Ich entdecke die Vorzüge von Trocknungsverzögerer für Acrylfarben.

 

Donnerstag, 02. Mai. Uta ist wieder frischer. Nach der üblichen Hausarbeit und Problemen mit dem PC brechen wir nach Koekelberg bei Brüssel auf, um die Künstlerin Lola di Vito zu besuchen (aka-art.be/lola-di-vito.html). In ihrem Wohnatelier, das sie frisch für einen Tag der offenen Tür am 04. Mai präpariert hat, empfängt sie uns herzlich bei Erdbeerkuchen und Kaffee. Sie erzählt aus ihrem spannenden Leben als klassische Sängerin, Malerin, Zeichnerin, Plastikerin, zeigt und erklärt uns Bilder aus fünf Jahrzehnten. Die Stunden vergehen wie im Flug. Euphorisiert und neu ermutigt für unsere eigene Arbeit fahren wir ein letztes Mal zurück nach Merelbeke in das bezaubernde Häuschen im Park.

 

Freitag, 03. Mai. Wir setzen unsere Reise fort, verlassen Flandern und kommen in die Hauts-de-France, die Region, in der noch eine halbe Million Menschen Picardisch (chti oder chtimi) spricht, eine dem Französischen nahe, galloromanische Sprache. Wie in Belgien und in weiten Teilen des mitteleuropäischen Nordens dominieren auch hier die roten Backsteinhäuser, sie wirken aber einfacher und älter. Die frühere Armut der Bevölkerung lässt sich noch erahnen, auch wenn die Region spätestens seit dem Kinoerfolg Willkommen bei den Sch’tis einen touristischen Aufschwung erlebte. Während Belgien mit einer Ausdehnung städtischer Lebensformen von fast 98 Prozent zu den am dichtesten besiedelten Staaten in Europa gehört, erleben wir hier wieder Weite. Während der Fahrt nach Westen begleiten uns wie Ketten riesiger Seen gelb blühende Rapsfelder. Zusehens mischt sich normannisches Fachwerk zwischen das Rot der Häuser. Dann erreichen wir Rouen, wo wir die weiß-flammende Fassade der Kathedrale bewundern, die Claude Monet in seiner Bilderserie in den Jahren 1892 bis 1894 malte. In der Nähe der Stadt übernachten wir an den Windungen der Seine, frühlingsumwachsen mit Blick auf Kalkfelsen. Während unserer Spaziergänge im Regen, den Blicken aus den Fenstern des alten Häuschens und hinein in den Bildband über die Maler an der Seine, den uns der Vermieter zur Verfügung stellt, fühlen wir uns noch einmal unmittelbar mit den frühen Künstlerkolonien verbunden.

 

Samstag, 04. Mai. Auf dem Weg von Rouen nach Caen passieren wir die alten Künstlerkolonien Le Havre, Honfleur, Villerville, Orte an denen wir im vergangenen Jahr gemalt haben. Auf der Höhe des Mont-Saint-Michel erreichen wir die Bretagne – und schließlich an der nördlichen Westspitze des Finistère unser Ziel, das Dorf Porspoder.

 

Sonntag, 05. Mai. Der Blick aus dem Fenster über das Meer und die Halbinsel Saint Laurent streift immer wieder den alten Leuchtturm Le Four. Er steht in einer Entfernung von etwa zwei Seemeilen auf einer kleinen Granitinsel. Dieser Ort markiert den ins Meer vorgeschobenen Punkt, den Schiffe umrunden müssen, die zwischen Ärmelkanal und der Irischen See fahren.

 

Montag, 06. Mai. Das Leben regelt sich ein – im Rhythmus der Gezeiten, der Gestirne und der Winde.

 

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