SCOTLAND 4

Kilmun am Holy Loch bei Glasgow, Scotland

 

 

 

Die neununddreißigste Woche unserer Reise: Montag, 29. Juli bis Montag, 05. August 2019 –

 

 

 

Heute nehmen wir Abschied von Scotland. Das Mull of Kintyre nordwestlich hinter uns, besteigen wir die Fähre nach Irland.

 

Zuletzt wohnten wir mit meiner Tochter Teresa und ihrem Freund auf der Cowal Peninsula im Westen Scotlands. Die Augen über dem Holy Loch, dessen funkelnde Oberflächen sich vor unseren Fenstern ständig veränderten, suchten wir beständig das Weite ab – nach Sonne, Wolken, den sanften Hügelketten, Wäldern, Vögeln, Robben und Delfinen. Im Haus der Nichte des Malers Frank Allen (frankhumphreyallen.com) lebten wir mit dessen zahlreichen Gemälden „… to take us where only children know“.

 

Wiederholt fuhren wir ins nahegelegene Glen Massan, eines der zahlreichen Täler der näheren Umgebung, in denen sich Schafe, Pferde, Ziegen und Rinder neben den wild lebenden Rehen, Hirschen, Steinadlern bewegen. Hier begrüßten uns das Rauschen des Windes und des Massan Rivers, das Brummen der Insekten und Vogelstimmen. Während ihr Freund Yannic zwei der markanten Felsbrocken des Tales bekletterte, füllten wir hier gemeinsam mit Teresa unsere Skizzenbücher.

 

Entgegen der Ratschläge einer herzlichen Frau, die wir wiederholt im Glen Massan trafen, fuhren wir eines Tages an die Ostküste nach Edinburgh. Hier wie dort kamen wir immer wieder schnell mit gleichermaßen freundlichen wie hilfsbereiten Menschen in Kontakt; die meisten von ihnen stolz, die Vorzüge des Landstriches anpreisend, mit dem sie sich verbunden fühlten (die nette Frau aus dem Glen Massan versuchte, uns auf Glasgow einzustimmen). Das Wechseln von Perspektiven gewohnt, stellten wir Blende und Belichtungszeit nach unseren eigenen Maßstäben ein – und sammelten in beiden Städten unverwechselbare und spannende Eindrücke.

 

In der Innenstadt von Edinburgh fanden wir vorwiegend geschlossene Ensembles historischer Gebäude vor – soweit uns die Füße trugen und das Auge reichte. In der Old Town mit ihrem mächtigen Castle wanderten wir auf einigen der Spuren der Schriftstellerin Joanne K. Rowling, die hier ihre Harry Potter Romane entwickelte. In der New Town, bestückt mit Häusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert, suchten wir nach einer Tweed Jacke für Uta, einen Kapodaster für meine Gitalele, speisten wieder einmal in einem französischen Bistro und ließen uns vor Utas Uncle Bills früherem Wohnhaus in der London Street fotografieren.

 

An anderen Tagen besuchten wir noch zweimal Glasgow – mit klaren Zielen: zunächst die von Charles Rennie Mackintosh entworfene Kirche von Queens Cross, ein Raum zwischen Neugotik und Jugendstil voll kontemplativer Wirkung, der nur uns gehörte! Später sahen wir in der Kelvingrove Art Gallery & Museum eine intime Retrospektive der 1998 verstobenen Photografin Linda McCartney. Obwohl ich viele der Bilder bereits kannte, habe ich sie hier neu entdecken und wertschätzen können – besonders befördert durch die aufschlussreichen Begleittexte. Neu kennengelernt haben wir im Kelvingrove zwei historische Künstlergruppen: The Scottish Colourists und die gut 20 Jahre vor ihnen berühmt gewordenen Glasgow Boys (leider keine Mädchen!). Wie viele andere Künstler hatten sich die Boys gegen die in ihrer Zeit und ihrem Land herrschende Doktrin aufgelehnt – hier die Sentimentalität des viktorianischen Zeitalters. Darüber hinaus ähnliche Ideale verfolgend wie die Künstlerkolonien im Wald von Fontainebleau, bewirkten sie zwischen 1880 und 1895 eine Revolution der schottischen Malerei. Zwei Maler der Scottish Colourists, die sich in der Wahl ihrer Farbpalette und ihrer Motive unverkennbar von den französischen Impressionisten und Post-Impressionisten verführen ließen, arbeiteten sogar zeitweise in Grez-sur-Loing. In der City von Glasgow explorierten wir noch die Gallery of Modern Art, wo ich fasziniert vor den kleinformatigen Ölbildern der Malerin Lois Green stand – auch auf den zweiten Blick sehen sie Polaroid-Abzügen zum Verwechseln ähnlich!

 

Immer auf der Suche nach „dog friendly“ locations fanden wir im Nachbardorf am Holy Loch glücklich den Strone-Inn, wo wir – zu spät zum Essen – ein Glas tranken. Als der Wirt seine Türen abschloss, folgten wir kurzerhand der Einladung eines Gastes und verbrachten zwei unglaublich interessante Abende bei der Insellicht-Malerin und Keramikerin Catriona Hendersen Darroch (keltiafineart.com) und ihrem Mann Iain Darroch, einem Grafiker, stimmungsvollen Maler und professionellem Musiker. Zu später (und später noch zu früher) Stunde fanden wir uns andächtig um ihn geschart, gebannt von seinem Spiel auf der Bagpipe.

 

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