Vreeland, Holland, Nederland
Die dreiundvierzigste Woche unserer Reise: Montag, 26. August bis Montag, 02. September 2019 –
Wildgänse, verschiedene Entenarten, Möwen, Haubentaucher und Blässhühner sind unsere ständigen Begleiter – hier, im amphibischen Land. Auf einem Deich zwischen zwei Gewässern begegnete uns ein wandernder Flusskrebs. Vor unserem Gartenzaun verläuft einer der unzähligen schmalen Kanäle, die Holland durchziehen. Von ihm aus sind wir zwei Tage lang mit dem Boot hinaus auf Seen, Kanäle und den Fluss Vecht gefahren (einer der wenigen Flüsse, die streckenweise auf ihre Quelle zufließen) und haben unsere Umgebung aus einer besonderen Perspektive betrachtet. Das Land ist flach und eröffnet immer wieder weite Aussichten, ein bedeutsames Merkmal, denn die Niederlanden sind sehr dicht bevölkert. Der freie Blick hat uns fasziniert und sich in unserer Malerei niedergeschlagen. Wie Charles-François Daubigny (ein Maler der Schule von Barbizon) machten wir uns auch auf dem Wasser ans Werk. Von unserem Stützpunkt Vreeland aus, genossen wir ein Bilderbuch-Holland mit Wiesen, Feldern, Gärten, Windmühlen und malerischen Häuschen unter einem wolkendurchzogenen Himmel.
Natürlich besuchten wir auch wieder außergewöhnliche zeitgenössische Künstler: Otie van Vloten in Heemstede bei Haarlem (otievanvloten.nl) und Dieuwer Elema in Vreeland (dieuwerelema.nl). Beide empfingen uns großherzig und auskunftsfreudig in ihren Ateliers, zeigten uns freigiebig ihre Arbeiten und erklärten geduldig technische Details (Dieuwer, die wir über Robert aus Irland kennengelernt hatten, zeigte mir einen Trick, mit dem man Acrylfarben länger flüssig halten kann).
Morgen werden wir noch einmal einen Tag im schönen Vreeland verbringen und einen Ausflug ins nahe gelegene Laren unternehmen. Hier fanden die Künstler der Oosterbeeker Schule, der ältesten niederländischen Künstlerkolonie, ab 1870 eine neue Wirkungsstätte. Oosterbeek, bei Arnhem, nahe der deutschen Grenze, hatte damals seinen ursprünglichen, seit Jahrhunderten unberührten Charakter, verloren. In Laren malten die Künstler weiter - dann im Stil der Haager Schule, einer Gruppe von niederländischen Kunstmalern, die vor allem zwischen 1870 und 1920 wirkte und in Den Haag ihr Zentrum hatte. Beide Künstlergruppen entwickelten als eigenständige Teile der internationalen Strömung des Impressionismus eine besondere niederländische Variante. Sie verschmolzen Einflüsse des Realismus, der Schule von Barbizon und des französischen Impressionismus mit niederländischer Mentalität und werden kunsthistorisch auch als das „Zweite Goldene Zeitalter" der niederländischen Malerei bezeichnet.
Vier weitere niederländische Künstlerbewegungen hatten wir bereits vorher kennengelernt: in der letzten Woche die euroArt Künstlerkolonie Domburg und in Den Haags Museen die Maler des „Ersten Goldenen Zeitalters“, die Haager Schule sowie „De Stijl“. Das „Erste Goldene Zeitalter“ „(…) bezeichnet in der Geschichte der Niederlande eine rund einhundert Jahre andauernde wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit, die ungefähr das 17. Jahrhundert ausfüllt und in der Kunstgeschichte ohne Beispiel ist. Auf dem Höhepunkt des Goldenen Zeitalters um 1650 arbeiteten in den Niederlanden circa 700 Maler, die jährlich etwa 70.000 Gemälde fertigstellten. Dies ist in der gesamten Kunstgeschichte beispiellos, weder in der italienischen Renaissance noch in Frankreich zur Zeit des Impressionismus hat es so etwas gegeben. Insgesamt produzierten die niederländischen Maler mehrere Millionen Gemälde, weshalb heute nahezu jedes Museum für alte Kunst niederländische Gemälde zeigt.“ (/de.wikipedia.org/wiki/Goldenes_Zeitalter_(Niederlande)). „De Stijl“ nannte sich eine Künstlervereinigung, die u.a. 1917 bis 1928 die Zeitschrift gleichen Namens herausgab. Sie formulierte ähnlich dem deutschen Bauhaus Grundsätze für eine auf alle Gestaltungsbereiche anwendbare Ästhetik in Architektur, Design und darstellender Kunst nach den Prinzipien geometrisch-abstrakter Darstellung und Funktionalität. In der „De Stijl“ gewidmeten Ausstellung des Gemeentemuseums Den Haag stießen wir wieder auf Piet Mondriaan, dessen Schritte hin zur Abstraktion wir bereits in Domburg studiert hatten.
Gestern schon haben sich im Westen hohe Wolkengebirge aufgebaut. Die Sommerhitze verabschiedet sich. Übermorgen werden wir den beginnenden Herbst weiter in Richtung Osten begleiten.
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