SELINITSA 9

Selinitsa in Messenien auf der Peloponnes, Griechenland

 

 

 

Die achtundsechzigste Woche unserer Reise: Montag, 24. Februar bis Montag, 02. März 2020

 

 

 

Mit dem März kamen die Touristen nach Agios Nikolaos. Bereits am vergangenen Freitag waren einige Restaurants aus dem Winterschlaf erwacht. Stühle wurden an den Hafen gestellt, bald besetzt von zumeist griechischen Kurzurlaubern, die das Karneval-Wochenende am Meer genießen möchten. An den Straßenrändern der umliegenden Ortschaften begegneten wir Verkäufern von bunten Winddrachen, die heute, am griechischen Karnevaltag in die Lüfte entlassen werden.

 

Uns aber erschien die zurückliegende Woche ganz im Licht unserer Gäste aus Deutschland und Frankreich. Bereits am Montag, nach einem sonnendurchfluteten Frühstück im Amphitheater über dem Dorf Platsa, begannen Uta, ihre deutsche Clown-Partnerin Gudrun, deren Freundin Judith sowie unsere Musikerfreunde Joëlle und Christophe, mit den Proben für einen Clown-Auftritt. Vertieft in Telefonate, E-mails und diverse Schriftsätze von heimischen Versicherungsgesellschaften, denen ich leider einen großen Teil meiner Zeit überlassen musste, nahm ich davon kaum Notiz. Das Clown-Spektakel wurde am Freitag im Rahmen eines ART & BBQ Tages aufgeführt, der gleichzeitig als Vernissage für eine Kunstausstellung diente, an der Uta und ich teilnehmen. Leider breitete sich im Tagesverlauf Regen aus, sodass die Aufführung im Gastraum der Bar Hades stattfinden musste. Trotzdem war das Spektakel ein großer Erfolg; wir sahen viele liebe Bekannte wieder und lernten neue interessante Menschen kennen.

 

Dank unserer Gäste unterbrachen wir die gewohnten Rhythmen: anstelle der morgendlichen Gymnastik saßen wir lange plaudernd beim Frühstück - zugunsten einiger Restaurants blieb unsere Küche meist kalt – die Malerei pausierte zugunsten von Ausflügen - abends wurde nicht gelesen, sondern Sirtaki getanzt, gefeiert und viel geredet. Sehr genossen habe ich die Gespräche mit Tof, der aus einem tiefen Wissens- und Erfahrungsgrund über Musik, ihre Geschichte und die altgriechische Sprache schöpfen kann – und den Austausch mit Jo über ihr begeistertes Engagement für Blockflötenmusik, meine Malerei und ein in vielerlei Hinsicht besseres Leben. Zu sechst (plus Coco) unternahmen wir am Mittwoch einen Tagesausflug an die Südspitze der Mani, über Areopoli und die zauberhaften Tropfsteinhöhlen bei Pyrgos Dirou zum Kap Ternaro (auch Kap Matapan genannt), von dem einige denken, es sei der südlichste Punkt des europäischen Festlandes. Wir aber schenken den Geometern Glauben, die diesen Punkt bei Tarifa lokalisieren, einem der schönsten Plätze unserer bisherigen Reise. Auf dem Weg zum Kap erschienen die Berge mit jeder Kurve der engen Bergstraße eindringlicher und einsamer, die menschlichen Siedlungsspuren festungsartiger und verlorener; ein Land voll karger Schönheit. Am Ende der befahrbaren Wege stießen wir dann auf die Reste eines Poseidon-Orakels, das in christlicher Zeit überbaut wurde. Darunter befindet sich einer der Eingänge zu Hades. Er, ein Bruder des Zeus, gilt in der griechischen Mythologie als Herrscher der Unterwelt, aus der niemand zurückkehren kann. Nur Orpheus konnte ihn durch die Schönheit seines Gesanges dazu bringen, die von ihm geliebte Dryade Eurydike wieder freizulassen. Aber auch Persephone, der Tochter der Göttin Demeter wurde dieses Privileg zuteil. Verständlicherweise hatte Hades große Schwierigkeiten damit, eine Gemahlin zu finden. Nachdem er kurzerhand Persephone (oder Kore), geraubt hatte, zog er den Unmut vieler Gött*innen auf sich. Nach Zeus‘ höchstrichterlichem Spruch darf er Persephone nun innerhalb eines Jahres immer nur für einige Monate bei sich behalten, einem Zeitraum, in dem Demeter trauernd ihre Aufgaben vernachlässigt und deshalb der Winter über die Erde kommt. In Griechenland erscheint der Winter in einem durchaus milden Gewand; vermutlich, weil hier die Götter zuhause sind.

 

Nachdem Gudrun und Judith am Samstag das Flugzeug nach Deutschland bestiegen hatten, fuhren wir mit Jo und Tof zum umfangreichsten archäologischen Ausgrabungsgebiet Griechenlands, der antiken Stadt Messene. Aus unermesslich weiten Teppichen von Frühlingsblumen erhoben sich Mauern, Säulen, Tempelanlagen. Wir saßen in Amphitheatern, bewunderten Mosaikböden – und immer wieder schweiften unsere Blicke über das klassisch-schöne Ensemble aus Ausgrabungen und der sie beherbergenden Natur aus Felsen, Zypressen, Olivenbäumen und Blüten. Am Sonntag dann verabschiedeten wir schweren Herzens auch unsere französischen Freunde.

 

Nachdem Cocos Operationswunde gut verheilt, die Fäden aus ihrem Bauch gezogen sind und ihre Blutwerte im Normbereich liegen, denken auch wir an das Verabschieden von diesem besonderen Land. Gestern Abend starteten wir unsere Runde bei der Malerin Lee O‘Connor und ihrem Mann Tony. Mit gemeinsamen Freunden saßen wir nach einer Partie Boules noch lange zusammen, lachend, erzählend, Abschied nehmend.

 

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