Faenza 24

 

Taranto in Puglia, Ortona in Abruzzo, Faenza in Emilia Romagna und Oberhausen in Oberbayern

 

 

 

Die sechsundzwanzigste Woche unserer Reise: Donnerstag, 07. bis Mittwoch, 13. April 2022

 

 

 

Trauer ist ein unterirdischer Fluss.

 

In den Nächten fluten seine Ströme die Gedankengänge bis hinein in engste Verzweigungen, färben Träume braun und purpurrot. Sitze ich dann aufrecht, getrieben von Gegenwehr, im Dunkeln suchend nach den schlafenden Freundinnen, finde ich nur noch die eine. Noch fällt es schwer, bei Tagesanbruch nicht mehr an den warmen Bauch zu denken, der sich erwartungsfreudig entgegenstreckt, eine Aufforderung zum Streicheln, unterstrichen von eifrigem Schwanzwedeln, das unmissverständlich ausdrückt: ich freue mich, dass du hier bist!

 

Unsichtbare Begleiterin, an jedem Ort, zu jeder Zeit siehst du mich Ausschau halten nach grün sprießenden Wiesen, ruhigen naturbelassenen Plätzen, an denen ich mit dir spazieren kann, zufrieden und versunken in freien Gedanken.

 

Besondere Schwierigkeiten, solche Refugien zu finden, hatte ich noch bis zum Freitag-Morgen in der verkehrsreichen Innenstadt von Taranto, einfacher war es dagegen in Ortona. Nach den schrecklichen Zerstörungen, die die Befreiungskämpfe im Dezember 1943 angerichtet hatten, wurde die Stadt in weiten Teilen neu erbaut; erfrischende Grünanlagen entstanden rund um die weitläufigen Ruinen des Castello Aragonese. Auch als Uta auf der Fahrt in Richtung Norden abbog, um an einer Autobahnraststätte einen Kaffee zu genießen, begannen meine Augen sofort gewohnheitsmäßig das Gelände nach geeigneter Vegetation abzuscannen. Dann siegte die Vernunft und ich blieb stumm im Auto sitzen.

 

Manches Mal, wenn Menschen direkt nach Coco fragen, drohen Ströme der Trauer manche Brücke zu untergraben, die wir konstruiert haben, um über ihren Verlust hinwegzukommen, durchweichen Böden und Deiche, auf denen wir zu stehen glaubten. In Faenza schwand zeitweise jeder Grund. Keiner der Wege, auf denen ich mit ihr noch im Oktober gewandert war, hielt meinem Bemühen Stand. Schließlich zogen Uta und ich es vor, die frisch blühende Natur zu meiden.

 

Zuhause in Oberbayern begann ein Fieber in mir zu wüten, auch Uta wurde krank. Wir ließen uns testen und bei beiden wurde das Virus SARS-CoV-2 nachgewiesen.

 

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