Agriakóna 4

Káto-Rígklia und Megáli Mantíneia, Messinías, Dytikí Máni, Elláda

 

Die vierte Woche: Freitag, 28. Oktober bis Freitag, 04. November 2022

 

 

Nach Nord-Westen gerichtet wittert der Blick mehr als er sehen kann, denn mein Tisch steht in der Weite eines Olivengartens in einem messenischen Tal nach Sonnenuntergang. Ein Heer von Grillen beschallt emsig die Dunkelheit, begleitet vom diskreten Bellen ferner Hunde. Auf der Staffelei das Glänzen die noch feuchten Leinwand. Beim Zeichnen nach der Natur eine Hürde, wissen wir doch stets mehr als wir sehen. Der innere Blick regiert das Schauen.

In Windeseile nimmt er die ungezählten Terrassenstufen mit deren Hilfe Menschen an diesem Ort im Zeitraum dreier Jahrtausende Schluchten und Hügelketten in eine Kulturlandschaft verwandelt haben und nimmt Kurs auf Nordwesten. Im Orten des Raumes öffnen sich ihm Landkarten und illuminieren zunächst die westgriechischen Inseln, Heimat des listenreichen Odysseus, der die Meere befuhr. Ein Zweig der Kornelkirsche verbindet von hier aus Räume und Zeiten über Italien und den Kaukasus hinweg mit Oberbayern. Kein Holz in Europa ist härter als der Hartriegel; der Ast der Kornelkirsche sinkt sogar im Wasser. Das Trojanische Pferd der Ilias war aus dem Holz der Kornelkirsche gebaut – seit alter Zeit auch Gegenstände, die Belastungen aushalten mussten: Speichen von Kutschenrädern, Axtstiele, Messergriffe und Steinmetzwerkzeug, wie es Manfred Dangl, der Petrokünstler aus Sindelsdorf verwendet, an den ich heute denke. Morgen wird er mit seiner Frau Yvonne Fontane das Firstfest der beiden Hallen im Raum durch Kunst feiern! Die Kunst wirkt durch den Raum und der Raum wirkt durch Kunst. Auch hier, wo sich an einem Extrem des Pendelausschlages meiner Wahrnehmungen, mehr als 2000 Kilometer von Sindelsdorf entfernt, ungefiltert und direkt vor dem Auge die Kornelkirsche mit roten Perlen schmückt.

Am Dienstag haben wir schon früh am Morgen das Auto bepackt – zuallerletzt mit den frisch gemalten Portraits von Flocke und denen eines guten Dutzends Olivenbäume. Nach dem Hausputz und einem letzten Spaziergang über die Hügel kurvte uns Uta zurück in die Bucht von Ágios Nikólaos. Hier haben wir ohne Zögern in den Alltag zurückgefunden, in Haushalt, Gartenarbeit, Zeichnen, Schreiben.

Ab morgen soll es kühler und regnerisch werden; ich wandere noch einmal an den Strand hinunter zum Schwimmen.

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Kommentare: 1
  • #1

    Lisa Schwarz (Samstag, 05 November 2022 13:11)

    Es macht Spaß deine Gedanken zu lesen. Danke, dass du sie teilst. Ich möchte euch ganz unbedingt irgendwann mit Daniel und Leon besuchen kommen. Aber Flocke werden wir wohl im Frühsommer in Deutschland kennenlernen. Darauf freue ich mich schon sehr. :) Passt gut auf euch auf und genießt das Leben weiterhin auf eure wunderbare Weise in vollen Zügen! Nicht viele Menschen trauen es sich einfach das zu tun, was sie glücklich machen würde. Ihr tut es und ich bewundere euch dafür. Weiter so!
    Liebste Grüße aus Himmelstadt ☀️