Mani 2

Káto-Rígklia, Dytikí Máni, Elláda

 

 Die erste Woche: Donnerstag, 30. November bis Mittwoch, 06. Dezember 2023

 

 

 

Dieses Mal haben wir uns für die Reise nach Griechenland viel Zeit genommen. Am Montag, dem 20. November habe ich morgens das Auto gepackt, wie immer ins Ungewisse hinein, denn wieder standen unüberschaubare Gepäckberge wartend im Flur. Und wie so oft zuvor ging auch diese Mal alles gut, wir mussten keinen Koffer mehr mit der Post hinterherschicken lassen.

 

Die Fahrt nach Italien genossen wir in der Gewissheit, der sich in Bayern einschleichenden Kälte entfliehen zu können. Noch vor Sonnenuntergang erreichten wir die erste Etappe, einen Bauernhof am Westufer des Lago di Garda, den auch unser Hund Flocke bereits kennt und schätzt. Hier verbrachten wir die meisten Stunden mit Schlafen, Kochen und Lesen und ich wagte einen ersten kurzen Spaziergang im herbstlichen Farbenrausch nach den zwei Monaten, in denen ich wegen einer Bänderdehnung an Krücken gefesselt war. All umher wurden Oliven geerntet – ein Surren und Stimmengewirr, das uns im weiteren Verlauf dieser Reise bis nach Griechenland begleiten sollte. Unter blauem Himmel setzten wir die Fahrt am Donnerstag fort, ausgeruht und neugierig auf die nahezu menschenleere Weite der Novemberlandschaften in der Toscana. Auch hier gelang uns die Ankunft noch bei Tageslicht, wir kochten Pasta, stöberten in den Büchern, die in dem winzigen Bauernhäuschen auslagen und ließen das Kaminfeuer lodern. Am Samstag dann durchmaßen wir die Weite Mittelitaliens, kamen über Umbria, Lazio, Abruzzo und Molise immer südlicher bis Puglia, wo die Straßenränder noch vom Schnee des letzten Tages gesäumt waren. Nachdem wir auf abenteuerlichen Wegen über die Halbinsel Gargano hinweg endlich in der Finsternis zu unserer Unterkunft in einem Herrenhaus aus dem 19. Jahrhundert gefunden hatten, ging es auch in diesen speziellen Gemäuern ums Kochen und Speisen. Mit Luchino Visconti im Nacken, der in diesem Ambiente einst einen seiner atmosphärischen Filme gedreht hat, zelebrierten wir tags drauf auf der sonnenerwärmten Terrasse über dem Meer ein süditalienisches Frühstück. Auch hier, nahe der Stadt Manfredonia, war die Olivenernte in vollem Gange.

 

Am letzten Mittwoch schließlich fanden wir auf vertrauten Straßen nach Taranto, der auf altgriechischen Fundamenten ruhenden Stadt im Salento. Ihre grundlegende Bedeutung für die Entwicklung der europäischen Kultur wird oft unterschätzt. Gemeinsam mit Francesca di Ponzio, Galeristin und Künstlerin, saßen wir im Hause unserer Freundin Caterina Pollidori mit den Malern Giuseppe de Simone und Schiro zusammen, speisten vorzüglich und diskutierten unsere aktuellen künstlerischen Projekte. Nach Sonnenuntergang transportierte uns Uta die kurze Strecke nach Brindisi, dem Fährhafen, von dem aus das Trajekt gegen 22.30 Uhr in Richtung Balkan ablegte. Der Luxus der Kabine auf dem griechischen Schiff vermochte nicht über das immense Schaukeln hinwegzutäuschen, das uns in dieser Nacht in anlle Richtungen des Himmels und der Hölle hob. Trotz der Achterbahnfahrt erwachte Uta am nächsten Morgen frohgemut und erfrischt. Ein Glück, denn wie auf allen unseren Reisen ist sie an Land die Pilotin, die uns sicher von Hafen zu Hafen bringt.

 

Und dann, endlich wieder, Griechenland. Schon in den Bergen von Igoumenítsa begrüßten uns antike Heiligtümer und viele weitere Zeugnisse griechischer Kulturgeschichte. Über Épiros und Mittelgriechenland fuhren wir frohen Mutes in Richtung Süden, passierten Ioánnina, wo unsere Freundin Vasilikí Kunstprojekte organisiert, dann den Abrakischen Golf und erreichten über die famose Ríou-Andirrío-Brücke die Peloponnes. Von hier aus trennten uns noch drei Fahrstunden von Agriakóna, unserem Häuschen im Dorf Rígklia auf der Máni.

 

Zwei Freunde haben hier seit unserer Abreise im März Haus und Garten bewohnt und weiter gestaltet. Acht Monate sind seitdem vergangen, aber ich erlebe die Rückkehr wie das Aufwachen nach einem kurzen Schlaf. Auch Flocke findet sich sofort zurecht, an diesem Ort, ihrem ersten Zuhause, nachdem wir sie vorletzten Oktober aus dem Tierschutz-Garten geholt hatten. Außerhalb des Grundstückes müssen wir gut auf sie aufpassen, denn in den Olivenhainen liegen hin und wieder vergiftete Köder. Uta dagegen entdeckt ihre Zugehörigkeit zu Agriakóna schrittweise, erforscht alle Winkel der Küche, nimmt jeden Gegenstad in die Hände und spürt unter dem alten Boot vor dem Tor das Winterquartier einer großen Schildkröte auf.

 

Der erste Mensch, mit dem wir uns treffen, ist Nemo, einer der Künstler, die hier in Agriakóna lebten und der nun unser Nachbar ist. Viel haben wir uns zu erzählen, obwohl Nemo als Stipendiat noch im September in Oberbayern arbeitete, wo wir uns regelmäßig austauschen konnten. Nun drehen sich die Gespräche um handfeste Themen wie die Wasserversorgung und das Lagern seiner Habseligkeiten in unserer Garage bis eine neue, dauerhafte Bleibe gefunden ist. Am nächsten Tag sehen wir die Freunde Mei und Jort wieder, speisen mit ihnen in einem neuen Lokal, das wir noch nicht kennen. Im Unterschied zu unserem Refugium im Olivenhain befremdet mich das noch immer touristische Treiben in Ágios Nikólaos. Trotz der hervorragenden Vorspeisen, die wir bei „Mezé“ genossen haben, kehre ich gerne ins einsiedlerische Agriakóna zurück. Während sich Flocke genüsslich auf dem Sofa ausstreckt, vertiefen Uta und ich uns hier in Schreiben, Zeichnen und weitere Tätigkeiten, die mittlerweile eng mit diesem besonderen Ort verbunden sind. Dazu gehört auch der tägliche Spaziergang zum Meer und das Anschauen von Filmen – in dieser ersten Woche der Musikfilm „Across the Universe“, den uns die Freunde Almut und Klaus aus Stuttgart geschickt haben – ich sehe ihn mir zweimal nacheinander an. Am Freitag endlich ist mein Atelier zum Malen vorbereitet; seitdem arbeite ich an einem neuen „Seegarten“-Bild.

 

Am Samstag bringt uns Dionysios, ein Bekannter aus Stoúpa, bei einem Glas unten am Pantazí-Strand auf den aktuellen Informationsstand bezüglich Ortsentwicklung, Klima und Socializing. Was uns dann noch an Neuigkeiten fehlt, erfahren wir später beim Nachmittagskaffee von unseren albanischen Freunden Agím und Skéndi, mit denen wir gleich die nächsten notwendigen Baumaßnahmen planen, denn unser Badezimmer ist marode und die Sickergrube funktioniert nur noch eingeschränkt.

 

Bis zum Wochenbeginn herrschten Sonne und Wärme über die Bucht; in der Nacht zum Montag beendete ein krachendes Gewitter das gute Wetter. Seitdem gehen Flocke und ich müde in die Tage, denn Blitz und Donner raubten uns ab zwei Uhr den Schlaf, in der Nacht zum Dienstag sangen die Schakale über längere Zeit so dicht an unserem Garten, dass wir versucht waren, in ihre Lieder einzustimmen und letzte Nacht habe ich mich in Augenzeugenberichte von Heimatvertriebenen aus Schlesien eingelesen – eine Vorarbeit zu meinem nächsten Buch.

 

Dennoch sind wir heute pünktlich in den Tag gestartet, haben die erste Griechisch-Stunde bei Sophía in Stoúpa besucht, waren Nahrungsmittel einkaufen, gingen mit Flocke spazieren und haben uns mittags für eine kurze Mahlzeit auf den Balkon gesetzt. Aus allen Richtungen summen nun die Erntemaschinen, denn das Land ist wieder trocken und die Sonne hat wärmende Teppiche unter die prallgefüllten Olivenbäume gelegt.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Susanne Czepl (Sonntag, 10 Dezember 2023 22:10)

    Es ist sehr schön, Eurem Reisebericht zu folgen. Und ich kann vor meinem geistigen Auge die Landschaft mitverfolgen. Ganz besonders erweckt es die Erinnerung an die Radtouren mit meiner Schwester in der Toscana und in Umbrien. Und wie sollte es auch anders sein: mein Wunsch wächst auch diese Reisen in meinem "Erinnerungsbuch" zu gestalten. Mein Geist steht nicht still und findet immer neue Ideen. Lasst es Euch gut gehen und seid umarmt von Susanne