Káto-Rígklia, Dytikí Máni, Elláda
Die fünfte Woche: Dienstag, 15. bis Montag, 21. April 2025
Bis Donnerstag-Mittag hatte Uta ihre sympathische Studienfreundin Doris durch lange Tage begleitet, hatte ihr Landschaften, Dörfer und kulinarische Höhepunkte der Máni vorgestellt. Dabei wurden mit unermesslicher Ausdauer Informationen ausge-tauscht, üppig und genussvoll. Somit blieb für mich viel Zeit, um die Heizkörper im Haus vollständig auszubauen und die freigelegten Wandflächen zu renovieren. Auch Malen und Schreiben kamen nicht zu kurz. Nachdem wir Doris am Flugplatz bei Kalamáta abgesetzt hatten, gönnten wir uns etwas Ruhe und einen Ausflug an zwei Sehnsuchtsorte.
Nach kurzer Fahrt erreichten wie den durch sein tiefes Tal springenden Wasserfall von Πολυλίμνιο. Über zahllose Kaskaden füllt er grüne Seen mit kühlem Wasser, dicht eingewachsen von Oleander, Eschen und Platanen.
Wieder auf dem Rückweg beschlossen wir spontan, die alte Nationalstraße zu befahren, die Kalamáta mit Spárti verbindet - durch Täler, Schluchten und über die Pässe des Ταΰγετος-Gebirges. Nach einigen spektakulären Kilometern entlang des tief in Felsen geschnittenen Tales des Νέδωνας erreichten wir über zahllose Serpentinen auf 1310 Metern die Passhöhe Λαγκάδα, ab der wir Stufe um Stufe hinunter in das weite fruchtbare Land von Spárti gelangten.
Die gesamte Karwoche waren Detonationen zu hören; in der Osternacht schließlich entfesselte sich ein akustischer Terror, wie wir ihn vom deutschen Jahreswechsel kennen. Flocke ist nachhaltig verstört. Mit ihren panischen Reaktionen erinnerte sie uns daran, wie Explosionen auf natürliche Lebewesen wirken. Der Mensch gehört unter ihnen zu einer verschwindend winzigen Minderheit. Trotzdem müssen alle anderen Tiere unter seiner Überheblichkeit leiden. Wir wissen das, sind ja selber Menschen.
Gestern folgten wir der Einladung von Σοφία und Τάσος, am Osterfest ihrer Familie teilzunehmen. Genau wie die griechischen Gastgeber, stellten auch wir riesige Portionen auf den bereits zum Bersten überladenen Tisch; noch am Vormittag hatten wir eine Korbladung Hefe-Hasen gebacken. Der Tradition folgend wurde ein Lamm gegrillt, dazu gab es Salate, Τυρίπιτα, diverse Käsesorten, gebratene Kartoffeln, Brot und ein besonderes Τζατζίκη. Die Mutter des Freundes einer der beiden Töchter des Hauses hatte es nach regionalem Rezept aus Zentral-Griechenland zubereitet, in dem auch Karotten und Fenchelkraut eine wichtige Rolle spielen.
Τάσος’ über-neunzigjähriger Vater sorgte für eine feierliche Note und emotionale Augenblicke. Er sprach Gebete, sang alte Lieder und erhob sich zu manchem Tanz. Schließlich zog er sich selbst und seiner Gattin die Eheringe von den Fingern und verlobte in einem ergreifenden frei improvisierten Ritual zwei anwesende junge Leute.
Unter den zahllosen Eindrücken, die mit medial vermittelten Vorstellungen griechischer Familienfeiern oft überhaupt nicht übereinstimmen, haben mich drei Erlebnisse besonders stark beeindruckt.
Zum Essen wurden jedem Gast eine Gabel und die eigenen Hände überlassen. Verglichen mit deutschen Verhältnissen wurde trotz der stolz gefüllten Schüsseln nur wenig verspeist und keinerlei Wert auf die Temperatur von Fleisch und Kartoffeln gelegt. Alle nahmen sich viel Zeit, stundenlang! Dazu flossen reichlich Wein und Bier. Auch Wasser war da - zum Händewaschen.
Fast alle Gäste erhoben sich hin und wieder zum Tanzen - Männer unter sich, Frauen unter sich, gemischte Gruppen, alt und jung - manchmal nach Musik aus dem Lautsprecher, manchmal zu A-Capella-Gesängen. Die Tanzschritte folgten traditionellen Choreografien, auf deren Authentizität Wert gelegt wurde, eifrig und mit viel Spaß.
Alle Familienmitglieder zeigten sich ihre Verbundenheit gegenseitig in langen Umarmungen, saßen oft eng beieinander, nahmen sich bei der Hand - auch die Väter ihre Söhne.
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