Helena 6

Káto-Rígklia, Dytikí Máni, Elláda

Die siebente Woche: Dienstag, 29. April bis Montag, 05. Mai 2025

Seitdem wir in Athen wohnen, übt Uta jeden Morgen auf dem Klavier die „Passacaglia“ aus Georg Friedrich Händels Cembalo-Suite in g-Moll. Vor all den Sensationen, die uns die alte Stadt bietet, ist dieses Spielen immer ein ein erster Höhepunkt des Tages.

 

Nachdem ich am Vortag mit Flocke den Tag über von Park zu Park gewandert war, gönnte ich mir am Dienstag eine bequeme Fahrt mit der Metro. Auf diese Weise gelange ich in Windeseile zum Nationalmuseum für Zeitgenössische Kunst (ΕΜΣΤ), um die von Uta empfohlene Ausstellung „Was wäre, wenn Frauen die Welt regieren würden?“ zu erleben. Vor allem griechische Künstlerinnen präsentieren hier ein Panoptikum unterschiedlicher, teilweise radikaler Sichtweisen, mit einer Werkvielfalt, die von der Gegenwart bis zu 50 Jahre zurückreicht. Vielbeschäftigt gelangte ich schließlich wie ferngesteuert zur multimedialen Installation der englischen Künstlerin Emma Talbot, deren Werke mich unter allen präsentierten Positionen am stärksten beeindruckte.

Neben Film und Plastik nutzt sie die Seidenmalerei, aus ihrer Sicht das ideale Medium für einen feministischen Diskurs. Auf meterhohe Bahnen, zeltartig durch den Raum gespannt, malt und zeichnet sie rhythmisch und in vibrierenden Farben und durchsetzt mit kalligrafischen Texten ihre zeitlose Botschaft: Die Welt ist komplexer und oft etwas völlig anderes, als was wir darunter verstehen. Um diese Erkenntnis zu vermitteln, nimmt Emma Talbot malerisch („Human / Nature“) und in ihrer Videoarbeit („You Are Not the Centre / Inside the Animal mind“) die von ihr vermuteten Perspektiven anderer Lebewesen ein. Talbot verläßt die menschliche Sphäre, um sich der weit gefächerten und  für uns unzugänglichen Wahrnehmungsmöglichkeiten von Tieren anzunähern. Diese Idee begeistert mich, denn wie schon Immanuel Kant erkannte, gelingt es uns Menschen nur unter größten Schwierigkeiten, die Brille der raum-zeitlichen Bedingtheit und der Kausalität abzusetzen. Irrtümlicherweise sind wir deshalb üblicherweise davon überzeugt, dass die Welt so beschaffen ist, wie wir sie mit unseren beschränkten Sinnen wahrnehmen. Emma Talbot versucht, die Verflechtungen zwischen Mensch und Natur aufzudecken und die Möglichkeit einer alternativen, fürsorglicheren Zukunft aufzuzeigen.

 

Natürlich haben wir in Athína noch viel mehr erlebt, antike Kunstwerke bestaunt und unerwartete Schätze gehoben - darunter das Kulturzentrum der Stávros Niárchos-Stiftung mit  seinen Wasserspielen, den großzügigen Parkanlagen und sensationellen Plastiken von Simone Leigh. Am Freitag holten wir unseren bedeutenden Artist-in-Motion-Freund Eric Schaftlein vom Flughafen ab und erlebten noch zwei spannende Tage in der Metropole, bis wir gestern Abend in die Máni zurückkehrten.

Hier und heute erwartete uns viel Arbeit. Am Vormittag drehte sich alles um die Organisation einer Ausstellung in der uralten Stadt Kardamíli, an der wir teilnehmen werden. Heute Abend fand schließlich die Jahreshauptversammlung unserer Gruppe AiM statt: um 18 Uhr schottischer, um 19 Uhr französischer und um 20 Uhr griechischer Zeit.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0