Helena 9

Káto-Rígklia, Dytikí Máni, Elláda

Die 10. Woche: Dienstag, 20. bis Montag, 26. Mai 2025

 

Wieder saß ein gewaltiger Sandsturm über der Bucht. Als sich die Wolken endlich entluden, um die Luft vom gelb-braunen Pigment frei zu spülen, saßen wir bei Lamm, Gemüse und Wein in der Bucht von Kardamíli. Geschützt unter dem Dach neben dem Eingang zur Küche wurden wir Zeugen der Gelassenheit der Gäste. Viele von ihnen blieben einfach unter den triefenden Olivenbäumen sitzen, die Hände über den Gläsern, um sie vor Verunreinigungen zu schützen. Andere spannten ihre Regenschirme auf und die größte Gruppe suchte Schutz unter dem Terrassendach, unter dem gespeist und gelauscht wurde, denn alle waren zu Eliés gekommen, um das Finale des Kardamíli-Jazz-Festivals mit Natalie Aldema zu erleben. Unterstützt von zwei norwegischen Combos gab die temperamentvolle Sängerin Standards zu Besten, mit einem Schwerpunkt auf Kompositionen, die Nat King Cole berühmt gemacht haben.

Trotz des gewohnten geschäftigen Treibens, das uns an Haus und Garten bindet, genehmigten wir uns in der zurückliegenden Woche noch zwei weitere Konzertbesuche - beide sensationell und in ihrer Art einmalig. 

Am Dienstag-Abend gelangten wir erstmals in das stimmungsvolle Anwesen des Künstlerpaares Joan und Patrick Leigh Fermor; ein Ort, den wir schon lange kennenlernen wollten. Das in einem traditionellen mediterranen Stil geschaffene Gebäudeensemble mit kleinem Park und eigenem Strandzugang ist ein Ort der Ruhe, beherrscht von den Gesängen der Vögel und der Wellen. Als Teil des Benáki-Museums wird kleinen Besuchergruppen zu bestimmten Zeiten Zutritt gewährt - durchgehend werden die Lebens- und Arbeitsräume der Fotografin und des Schriftstellers aber von Stipendiat:innen und Artists in Resindence belebt. In diesem Ambiente traten im Rahmen des Jazz-Festivals auf einer zypressenumsäumten Freilichtbühne vor Meer und Sternenhimmel unter dem Namen *Pompeii“ vier virtuose junge Leute auf und bezauberten mit einem inspirierten Zusammenspiel von Posaune, Gitarre, Zupfbass und Stimme. Obwohl wir alle Stücke kannten, zog uns die Band an diesem großartigen Abend durchgehend mit ihren phantasievollen Arrangements in ihren Bann und verstand es, ihre eigenwilligen Interpretationen in das feine zeitlose Muster dieses magischen Ortes einzuweben.

Ein weiterer Höhepunkt war ein ρεμπέτικο-Konzert am Freitag-Abend in "Αυλή της Γιωργίτσας“. Da mit einem Besucher-Ansturm zu rechnen war, hatten wir bei unserer Freundin Voúla einen Tisch reserviert und saßen nun wie hypnotisiert von Beginn bis zum Ende des Spektakels keine zwei Meter von den vier Musikern und der Sängerin entfernt. Von der gut 100jährigen Tradition dieser speziellen griechischen Musik hatten wir bereits gehört und gelesen; viele Lieder hatten wir auch im Radio und live gehört, sodaß uns einige Melodien bekannt vorkamen.  Alle anderen Gäste aber schienen mit dieser Musik aufgewachsen zu sein - sie vermochten jede Zeile mitzusingen, beklatschten begeistert jedes neu intonierte Lied und erhoben sich spontan zum Tanz. Sofía, unsere Griechisch-Lehrerin erklärte uns dieses Phänomen heute so: „Wir leben mit diesen Liedern. Die Kinder hören, singen und tanzen sie schon in der Schule und bei jeder Familienfeier“.

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