Helena 11

Káto-Rígklia, Dytikí Máni, Elláda und Castel San Pietro Terme, Italia

Die 12. Woche: Dienstag, 03. bis Montag, 09. Juni 2025

Nach langer Schifffahrt auf dem zunächst Ionischen und bald schon Adriatischen Meer sind wir heute Abend in ein italienisches Hotel zurückgekehrt, mit dem wir in der Vergangenheit bereits gute Erfahrungen gemacht hatten; der Hund ist willkommen, ein grüner Park fußläufig erreichbar und die Betten groß und hart.

Überall in Europa herrscht nun sommerliche Wärme und doch vermissen wir nach dem Abschied von Griechenland Vieles, an das wir uns gerne gewöhnt haben.

In Rígklia beginnt jeder Tag mit dem Ausrollen eines goldenen Teppichs. Obwohl die Sonne die Felsscharten des Ταΰγετος nun deutlich weiter nördlich überwindet als im Winter, überzieht das Morgenlicht auch jetzt bedächtig, zielstrebig und bald vollständig Baum um Busch, bis die gesamte Olivenbucht im Hitzeflimmern liegt. Es ist die Zeit der Vogelstimmen. In den Chor der Rauchschwalben, Sperlinge, Amseln, Tauben, Elstern, Mönchsgrasmücken und Braunkehlchen mischt sich der kecke Ruf des Wiedehopfs, eines unserer beständigen Gartengäste. In den frühen Stunden wandern wir mit Flocke auf einsamen Wegen hinunter an den noch menschenleeren Strand und nehmen ein Bad. 

Am Sonntag-Morgen reckte sich, über einen Gartenzaun gebeugt, die monumentale, aber kurzlebige Prachtblüte einer Kaktus-pflanze, von der unsere chinesische Freundin Mei sagt, es sei ein vietnamesischer Drachenbaum. 

Vier Tage zuvor erwachten vereinzelt die ersten Zikaden; die akustischen Boten des mediterranen Sommers. Ihr Zackern drang aus einem der buntblühenden Gärten Léfktros, des alten Ortsteils von Stoúpa. Bedächtigen Schrittes folgte ich der Bruchstein-mauer, genoß das Wärmeglück in vollen Zügen und lieferte anschließend ein letztes Gemälde an Maras Galerie. 

Später traf ich Uta und Flocke in einer Bar am Strand und verstand, dass die Zeit für uns gekommen ist, die Bucht zu verlassen. Die Monate der bizarren Travestie haben begonnen. Aus jedem zweiten Haus dringen elektronisch unterspülte Melodiefetzen und englischsprachige Gesänge. Patrick Leigh-Fermor hat den Beginn dieser respektlosen wie würdelosen Zerstreuung bereits Mitte der 50ger Jahre in seinem Buch über die Máni dokumentiert. Mittlerweile gehört das babylonische Übel zur griechischen Tradition und wohl bald auch zur gängigen Folklore. Dabei handelt es sich um eines der zahllosen kulturbefreiten Begleiterscheinungen des Kapitalismus, die einzig dazu dienen, Konsumenten an Scheinbedürfnisse zu gewöhnen. Damals wie heute soll die „Muzak“ Touristen in Cafés, Restaurants und in die wie Pilze aus dem Boden schießenden Geschäfte locken. Offensichtlich funktioniert dieses Konzept. Zu den akustischen gesellen sich auch einige visuelle Formen der Umweltverschmutzung. Unter anderem werden die Strände ab jetzt für einige Monate mit Legionen von Liegestühlen und Sonnenschirmen gepflastert.

Wir haben uns zurückgezogen. Es sind nicht willkürlich austauschbare Konsumwelten, sondern Natur, Geschichte und Kultur eines bestimmten Ortes, die uns anziehen. Von all dem findet sich ein Übermaß in unserem kleinen Häuschen, in seinem Garten Agriakóna und in den umliegenden Olivenhainen, Hügeln und Küstenstreifen.

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