Vreeland, Holland, Nederland
Die zweiundvierzigste Woche unserer Reise: Montag, 19. bis Montag, 26. August 2019 –
Gestern sind wir im Norden Hollands angekommen. Zuvor haben wir zum ersten Mal in diesem Sommer im Meer gebadet! Nachdem wir im vergangenen Winter ins Ionische Meer und bei Gibraltar in den Atlantik gestiegen waren, empfanden wir alle nachfolgenden Gewässer als zu kalt: das Mittelmeer, die Irische See, den Ärmelkanal und schließlich die Nordsee und den Atlantischen Ozean, die Schottland umspülen. Am weiten, weißen Sandstrand von Domburg, in Zeeland im Süden der Niederlande, begegneten wir (frühmorgens) der Erinnerung an euphorische Eindrücke der Künstlerkolonisten, die sich dort um Jan Toorop und Piet Mondrian geschart hatten und schon vor 100 Jahren wieder dabei waren, auseinander zu gehen.
Zum Malen fand ich während der prall gefüllten Tage bei Francisca van Vloten und Arnold van Houtum keine Zeit, ich habe nur ein wenig gezeichnet – zu sehr war ich mit Lesen und Schauen beschäftigt. Francisca, u.a. Autorin, Kuratorin, Sammlerin und Museumsleiterin in Domburg, hat das ICEAC-Institut gegründet (Internationales Zentrum für das Studium europäischer Künstlerkolonien), ein Forschungs- und Dokumentationsinstitut in Domburg (franciscavanvloten.nl). Arnold, ein passionierter Musik- und Kunstkenner, ist derzeit Interim-Schatzmeister von euroArt. Die beiden, Humanisten und lebensfrohe Europäer, haben uns auf herzliche Art ihr Haus geöffnet und uns mit wertvollen Gesprächen, gutem Essen und dem gemeinsamen Betrachten von Kunstschätzen bereichert.
Bevor wir in den Niederlanden ankamen, waren wir in einer Art Husarenritt über die Britischen Inseln gesprungen, was uns neben der Fähigkeit zu eigenverantwortlichen Entscheidungen ein hohes Maß an Mut und Waghalsigkeit abforderte. Am vergangenen Montag noch lauschte ich im Dubliner Stadtviertel Stillorgan morgens den Distelfinken, die mir, ihr Revier markierend, die Schönheit der Erde vor Ohren führten. Nach eher unbedeutenden Stunden im Konsumzentrum einer europäischen Großstadt verließen wir am nächsten Tag Dublin – die Stadt, die uns in der vorangegangenen Woche so wunderbar überrascht hatte. Wir fuhren die irische Ostküste hinunter bis zu ihrer Südspitze, durch Landschaften und Bebauungen, die uns stark an Deutschland erinnerten – ausgenommen natürlich die vielen Palmen und die gelegentlichen Ausblicke auf das Meer. Am Abend überquerten wir ab Rosslare die Irische See und kamen spät in Wales an. Nach einer bequemen Nacht in Fishguard durchmaßen wir Wales und England bei Sonnenschein von Westen nach Osten und erreichten am Abend Folkstone, nahe dem Fährhafen Dover. Noch vor der Überfahrt nach Dunkerque gelang es uns, die letzten Pfund-Banknoten in Nahrungsmittel zu investieren – wir wurden sogar die im restlichen Großbritannien so unbeliebten Geldscheine der Ulster Bank und der Bank of Ireland (Nordirland) los. Leider wurde uns ausschließlich Wein aus Übersee angeboten. Der Brexit wirft seine Schatten voraus: entsprechend seiner Logik liegen die europäischen Länder von England aus gesehen weiter entfernt als Australien und Südafrika.
Das oberste Stockwerk des viktorianischen Hauses war von Möwen umstellt, die miteinander stritten. Sie verhalfen mir zu einem bewussten Erleben dieser letzten britischen Nacht. In der Folge haben der morgendliche Spaziergang an der See, das Frühstück und die Fahrt mit der Fähre meine getrübten Sinne kaum erreicht. Erst in Belgien, im Café neben dem Paul Delvaux-Museum in Sint Idesbald, erwachte ich, rechtzeitig, um die großformatigen Reproduktionen seiner Meerjungfrauen bewundern zu können.
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