MURNAU 1

Murnau am Staffelsee, Bayern, Deutschland

 

 

 

Die zweiundsiebzigste Woche unserer Reise: Montag, 23. bis Montag, 30. März 2020

 

 

 

Als mich Coco vergangene Nacht mit lautem Bellen weckte, lag frisch gefallener Schnee im Garten. Ihr empfindsames Gehör hatte wohl die Geräusche von Katzen oder Mardern geortet. Winterliche Kälte mit Eis und Schnee hatte ich zuletzt vor fünf Tagen in den Abruzzen erlebt, während unserer Rückfahrt aus dem Süden Italiens.

 

Noch vor einer Woche saßen wir unter der Frühlingssonne in Santa Maria di Leuca zwischen Olivenbäumen. Auch ohne die Corona Pandemie hätten wir dort kaum anders gelebt, Tag um Tag froh, dass wir uns still auf unsere Arbeiten konzentrieren dürfen. Nachdem wir am Dienstagabend allerdings von einer deutschen Freundin erfahren hatten, dass ab Mittwoch in Italien die Tankstellen schließen werden, packten wir das Auto. Am Mittwoch legten wir die weite Strecke bis nach Deutschland zurück und landeten wohlbehalten in Murnau. Auf unserem Weg durch Italien wurden wir nicht kontrolliert, zu offensichtlich war wohl unsere Absicht, die Heimat zu erreichen, als dass die Polizisten die Selbsterklärung hätten sehen wollen, die jede Person in Italien mit sich führen muss, die das Haus verlässt. Erst beim Grenzübertritt nach Österreich wurden wir angehalten – von einer Gruppe junger Uniformierter (ohne Schutzmasken), die die Pässe kontrollierten uns gut gestimmt ein Formular zu Unterschrift reichten, das uns dazu verpflichtete, Österreich ohne Halt zu durchreisen. Wenig später erreichten wir die deutsche Grenze, wo uns zuerst ein Schild dazu aufforderte, nach der Einreise zwei Wochen in Selbstisolation zu gehen. Eine Vorschrift, auf die uns der vermummte Grenzpolizist wenig später nach der Ausweiskontrolle noch einmal eindringlich hinwies.

 

Nun setzen wir die in Italien begonnenen Arbeiten in Deutschland fort. Uta schreibt fleißig Texte für ein „Glücksbuch“ und ihren Blog. Die Druckvorlage für das „Murnauer Aus- und Dazumalheft“ für Kinder, das ich seit unserer Ankunft in Murnau schreibe und zeichne, könnte heute Nacht fertig werden. Natürlich werkeln wir hier unter veränderten Außenbedingungen - hier ist es kälter als im Süden und das Haus bietet andere Aussichten: statt über die weiten Blauzonen des Meeres streift der Blick über den nahen Heimgarten, das Estergebirge und das Wettersteinmassiv. Außerdem sind wir in der Selbstisolation auf helfende Hände angewiesen, die es uns erst ermöglichen, konsequent in der Wohnung zu bleiben. Glücklicherweise haben wir in Murnau treue Freundinnen, die uns mit Lebensmitteln versorgen und täglich mit Coco einen Spaziergang unternehmen – vielen herzlichen Dank dafür!

 

Im November 2018 waren wir aufgebrochen, um europäische Künstlerkolonien zu besuchen, und haben bis heute eine Menge geschafft. Unsere Reisen führten uns durch Italien, Frankreich, Spanien, Portugal, Belgien, die Niederlande, Deutschland, Polen, Tschechien, Großbritannien, Albanien und Griechenland. Viele der historischen Künstlerkolonien, an deren Stelle heute oft Museen stehen, haben wir kennengelernt und ebenso viele Orte, an denen heute künstlerisch gearbeitet wird. In jedem Land haben wir interessante und liebenswürdige Menschen getroffen. Überall wurden wir gastfreundlich empfangen und mit dem kulturellen Erbe der Regionen vertraut gemacht. Nicht wenige Menschen luden uns ein zum gemeinsamen Arbeiten und zum Ausstellen unserer Bilder – mit vielen haben wir gefeiert und Abenteuer bestanden.

 

Auch, wenn wir uns heute physisch nicht begegnen dürften, leben wir nach diesen intensiven Erlebnissen doch im Bewusstsein eines nahezu paneuropäischen Netzwerkes, gewachsen aus vielen wertvollen persönlichen Begegnungen. So stehen wir miteinander in einer ununterbrochenen Verbindung, kollegial und freundschaftlich.

 

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