Die neunte Woche unserer Reise: Donnerstag, 09. bis Mittwoch, 15. Dezember 2021
Die Stürme der letzten Wochen haben sich etwas beruhigt – nun dominiert wieder die Sonne, allerdings bei merklich niedrigeren Temperaturen – nachts haben wir nun regelmäßig weniger als 10 Grad Celsius.
Glücklicherweise kam der lange erwartete Ydravlikós, um die Geschirrspülmaschine zu reparieren und das kleine Klosett-Häuschen in Utas Atelier instand zu setzen. Schließlich entdeckte der gewissenhafte Mann einen Fehlanschluss des Ofens, in dem bereits fleißig gebacken und gegrillt habe. Glücklicherweise hat mich kein Stromschlag getötet. Also musste auch ein Elektriker gefunden werden, der den wahrscheinlich seit langer Zeit unentdeckten Schaden behob. Nachdem nun alle Handwerker das Haus verlassen haben, bleibt uns genügend Arbeit für die nächsten zwei Wochen – Uta und ich wollen endlich das Treppenhaus streichen, denn nun werden wahrscheinlich keine sperrigen Gegenstände mehr angeschleppt und gegen die Wände geschrammt. In vielleicht (= ísos, ein wichtiges Wort) einer Woche wird der Ydravlikós eine neue Pumpe zwischen den Holzofen und das Heizungssystem einbauen, sodass die Heizkörper von der Hitze des schön anzusehenden Feuers gespeist werden und dann auch das gesamte Haus erwärmen.
Am vergangenen Montag wanderten wir durch die Olivengärten hinunter zum Strand, ausgerüstet mit Müllsäcken. Bis wir am Ufer ankamen, hatten wir bereits reichlich Plastikfolien und geleerte Trinkflaschen aus dem Ziegenklee gefischt. Unten, vor den abebbenden Fluten, sammelten wir neben dem üblichen Konsummüll auch Schuhe und Dämmstoffe ein. Die Stürme der vergangenen Tage und Nächte haben den Menschen einige Spitzen der von ihren im Meer entsorgten Müllberge an das schmucke Badeufer zurücktransportiert.
Endlich hat Uta die dritte Impfung erhalten. Dieses Mal ging alles ganz schnell. Ich dagegen warte noch auf meinen Termin. Mit seiner Undurchsichtigkeit und kafkaesken Willkür repräsentiert das griechische Gesundheitssystem beispielhaft die Behörden und größeren Gesellschaften des Landes. Nicht nur unsere Griechisch-Lehrerin beklagt immer wieder die unerklärlichen Hindernisse und Widersprüchlichkeiten, denen alle Menschen hier ausgeliefert sind, sei es beim Eröffnen eines Bankkontos oder bei einem Verwaltungsakt der zuständigen kommunalen Verwaltung. Zu den wichtigsten Vokabeln, die wir im Griechisch-Unterricht lernen, zählen deshalb Worte wie „Geduld“, „vielleicht“ oder Redewendungen wie „Was kann man da machen? – Nichts,“
Als Gegengewicht zu den von den Menschen geschaffenen Schwierigkeiten versöhnt uns – und wahrscheinlich auch alle anderen, die hier leben – die überwältigende Fülle und Schönheit der Natur. Vom fahrenden Händler bekommen wir frischen Fisch, an den Bäumen hängen Zitronen, im Garten wächst Rosmarin. Unter einem endlos blauen Himmel verändert sich ohne Unterlass das weite Ionische Meer. Die manchmal einheitliche Farbfläche gliedert sich bald in ungleichmäßige horizontale Schlieren, in der Ferne abgeschlossen von einem dunklen Grau. Vorher aber hellt sie sich auf, abgestuft in türkisen und silbernen Streifen, unterbrochen von Wellenschatten aus dunklem Indigo. Schon während ich diesen Satz auf die Tatstatur übertrage, finden wieder Veränderungen statt. Ich weiß das. Trotzdem staune ich aufs Neue als ich den Kopf hebe. Das Türkis wurde in der kurzen Zeit kräftiger, in den zuvor silbrigen Teppich haben sich Fäden aus blassem Orange eingeflochten.
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