Agriakóna 23

Die dreiundzwanzigste Woche: Freitag, 10. bis Freitag, 17. März 2023

 

Noch mit MoniOmi an Bord, besuchten wir am vergangenen Freitag die Ausstellung der Künstler*innengruppe Επιβάτες στο τρένο του πολιτισμού (Passagiere im Zug der Zivilisation) in Trípoli zum Thema „Frauen in der Kunst“. Überwältigt vom starken Interesse des Publikums gaben Uta und ich mehrsprachig Auskunft zu den Bildern, mit denen wir uns an der Schau beteiligen. Innerhalb einer viertel Stunde stießen zudem vier Mitglieder der Gruppe dazu, mit denen wir intensiv das Thema, seine gesellschaftliche Bedeutung und technische Fragen diskutieren konnten. Erfüllt von den guten Gesprächen bezogen wir am Abend eine kleine Ferienwohnung im Athener Vorort Pallíni, kochten, lasen, führten Flocke über Wiesen und fanden früh in die Betten. Am nächsten Morgen brachten wir MoniOmi zum nahe gelegenen Flugplatz, von dem aus sie sich bald nord-westwärts in die Lüfte erhob. Müde von den Anstrengungen der letzten Tage, legte sich Uta bald wieder ins Bett, während ich die blaue Linie der Metro bestieg, die Flughafen, Stadtzentrum und den Fährhafen von Pireás verbindet.

Binnen 25 Minuten erreichte ich die Platía Syndágmatos, von deren Süd-Ostseite aus ich den Nationalpark Ethnikós Kípos betrat, den privaten Garten des Philosophen und Forstwissenschaftlers Theóphrastos von Eresós, einem Schüler des Aristotélēs. Hier, wo mittlerweile 12 Palmenkronen den Himmel in blau-graue Flecke schneiden, war ich zuletzt vor einem Jahr mit Coco, unserem bald darauf verstorbenen Hund unterwegs. Zunächst ziellos dem Zickzack der antiken Wasserleitungen folgend, durchwanderte ich nun schlafwandelnd auf gekiesten und mit Naturstein gepflasterten Wegen Haine und Alleen. Erst als ich vor der von Émile Antoine Bourdelle geschaffenen Büste stand, erwachte ich, fand zurück zu räumlicher Orientierung. Schlafende und flüsternde Liebespaaren besetzten hier alle Bänke – wie im vergangenen Winter. Ich wählte den Südausgang, ließ die klassizistische Bogenpracht des Záppeion hinter mir und durchmaß zügig den Kinderspielplatz, von dem aus ein Strässlein hinüber zum Kallimáro führt, dem Stadion aus „Schönem Marmor“. Hier trennten mich nur noch wenige hundert Meter vom eigentlichen Ziel meiner Wanderung, der Straße Eratosthévous. Den Hang hinunter, dessen Topografie Asphalt, Beton und Steine zu einer kubistischen Installation formt, quoll mir ein dichter, zähfließender Brei aus Autos und Motorrädern entgegen. Die allgegenwärtige Verzögerung erlaubte mir, das hupende Drängen sicher zu durchqueren und dabei sogar den Blick zu heben, der sogleich von unverputzten Betonwänden, offenen Stahlträgern, Versorgungsleitungen und Rohren entlang grau-schmutziger Geländer, Dachkonstruktionen und sonnenvergilbter Werbetafeln hinaufgelenkt wurde zum Gebäude mit der Hausnummer 13. Gestützt von drei Stockwerken schiebt sich hier in hellem Ocker und Weiß der Doppelbug der Basil & Elise Goulandris Foundation in die Straße hinein. Ein leuchtendes Schiff, das Räume umschließt, deren Bedeutungen allein durch Kunst entstehen. Die Kreuzfahrt, zu der es einlädt, wird uns nicht einfach von einem Hafen zu einem anderen navigieren, denn dieses Kunsthaus ist Eisbrecher, Fähre und zugleich das Ziel der Reise. Anstelle der rein sensorischen Präsentation der Kunstwerke auf neutralem Boden vermag der Raum Passagiere und Objekte in eine Expedition einzubinden, die die Sinne auflädt. Denn dort, wo der Raum durch Kunst entsteht, müssen Landkarten frisch gezeichnet und nautische Messinstrumente erst erfunden werden.

Später am Tag übernahm ich von Uta Flocke und auch sie fuhr nach Athen, um die großartige Kunstsammlung zu erleben. Während Uta sich besonders für die Sonderausstellung über die Bewegung des Nouveau Réalisme begeisterte, vertiefte ich mich in die Portrait-Zeichnungen und Naturgemälde des Balthasar Kłossowski de Rola, genannt Balthus.

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